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14.11.2005 Bioenergie

Energie aus Biomasse: Großes Potenzial vorhanden, Ausbau der Nutzung aber kein Automatismus

Biomasse wird in Deutschland in den kommenden Jahren maßgeblich zur Energieversorgung beitragen. Nach Einschätzung von Dr.-Ing. Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), können Bioenergieträger bis zum Jahr 2030 einen Beitrag zur Deckung des gesamten Energiebedarfes von „deutlich mehr als 15 Prozent“ leisten. Voraussetzung für eine verstärkte Nutzung seien entsprechende Rahmenbedingungen und  Planungssicherheit für die Akteure. „Die Entwicklung der Bioenergie-Nutzung ist kein Automatismus“, sagte Schütte auf einem Parlamentarischen Abend, zu dem die Innovationsstiftung Schleswig-Holstein (ISH) in die Kieler Kunsthalle geladen hatte.
 
Dr.-Ing. Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR)
Ausbau der Bioenergie-Nutzung kein Automatismus: Dr.-Ing. Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR)
Im vergangenen Jahr deckte die Energie aus Biomasse noch nicht einmal zwei Prozent des deutschen Gesamtbedarfs an Strom, Wärme und Kraftstoffen. Neben einer verstärkten Nutzung von Biogas, Waldrestholz und anderen Hölzern hätten Energiepflanzen und Stroh für die Energieversorgung der Zukunft erhebliche Bedeutung. „Bis zu 4,4 Millionen Hektar stehen bis 2030 für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen zur Verfügung“, sagte Schütte. In diesem Jahr wachsen auf mehr als 1,4 Millionen Hektar Fläche – rund 12 Prozent des gesamten Ackerlandes – Industrie- und Energiepflanzen wie Raps, Mais oder Energiegetreide. Damit habe sich der Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutschland seit Beginn der 90er Jahre bereits mehr als verfünffacht.

Großer Vorteile bei der Nutzung von Biomasse ist die CO2-Neutralität: Bei der Verbrennung oder Kompostierung setzen die pflanzlichen Rohstoffe stets nur die Menge an CO2 frei, die die Pflanzen während des Wachstums der Atmosphäre entnommen haben. Ihre Verwendung hilft daher, den Treibhauseffekt abzumildern und Klimaveränderungen entgegenzuwirken. Die Produktion von Bioenergie ist nachhaltig und trägt zur Schonung endlicher fossiler Ressourcen wie Erdöl, Erdgas und Kohle bei. Für Landwirte ergibt sich aus der Bioenergie eine alternative Einkommensquelle.

Nach Angaben Schüttes macht Biomasse derzeit rund 60 Prozent der erneuerbaren Energien in Deutschland aus – viel mehr also als Windkraft oder Photovoltaik. Nicht nur mengenmäßig sei die Bioenergie anderen regenerativen Energien überlegen: Sie lasse sich zudem problemlos speichern und sei vielfältig nutzbar – in fester, flüssiger oder gasförmiger Form, umgewandelt in Wärme, Strom oder als Treibstoff. Trotz großen Steigerungsraten innerhalb eines kurzen Zeitraumes sei Deutschland aber noch immer „auf Gedeih und Verderb“ von fossilen Rohstoffen abhängig, die importiert werden müssten.

Extrem ausgeprägt sei diese Abhängigkeit bei den Treibstoffen. Als Hoffnungsträger für mehr Unabhängigkeit vom Erdöl nannte Schütte synthetische Kraftstoffe aus Biomasse, so genannte BtL-Kraftstoffe (Biomass-to-Liquid), die sich noch im Entwicklungsstadium befinden. Solche Treibstoffe können aus einer breiten Palette unterschiedlichster Biomassen hergestellt und im Syntheseprozess dem jeweiligen Anforderungsprofil angepasst werden. Rund 12 Millionen Tonnen Dieseläquivalent seien im Jahr 2050 mit Hilfe nachwachsender Rohstoffe produzierbar, schätzt der Experte.

Dr. Hardwin Traulsen, Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein und Geschäftsführer der DEULA Schleswig-Holstein
Nachwachsende Rohstoffe große Chance für Schleswig-Holstein: Dr. Hardwin Traulsen Landwirtschaftskammer
Biotreibstoffe sind auch eines der Fachgebiete von Dr. Hardwin Traulsen, Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein und Geschäftsführer der DEULA Schleswig-Holstein, einer Lehranstalt für Agrar- und Umwelttechnik in Rendsburg. Unter seiner Leitung werden derzeit bundesweit Traktoren untersucht, die mit reinem Rapsöl als Treibstoff betrieben werden. Zahlreiche Umrüstverfahren würden derzeit für den Betrieb mit Pflanzenöl angeboten. Schlechte Ölqualität und ungeeignete Umrüst-Techniken könnten jedoch zu Verkokungen und Verharzungen im Zylinderraum führen. Die von der ISH unterstützte Studie soll Aufschluss darüber geben, welches Verfahren für welche Anwendung geeignet sei.

Traulsen sieht in den nachwachsenden Rohstoffen eine große Chance für Schleswig-Holstein. Im nördlichsten Bundesland gäbe es heute bereits rund 800 Stückholzheizungen und knapp 200 Holzschnitzel-Heizungen – sowie eine Versuchsanlage, die mit Getreide betrieben werde. „Mit Getreide heizen? Als ich das zum ersten Mal hörte, dachte ich: Was für eine durchgeknallte Idee“, erzählt Traulsen. Dann jedoch habe er erfahren, dass es einen durchaus relevanten Anteil an Getreide gibt, der nicht als Nahrungsmittel oder Futter verwendet werden dürfe und der sich für die Wärmegewinnung nutzen lässt.

Ebenso wie Schütte hält Traulsen die Weiterentwickung von Techniken und Verfahren für zwingend notwendig, um das Potenzial der Biomasse zu nutzen. Aufgabe der Politik sei es, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der Landwirt dauerhaft zum Energieversorger werden könne.

ISH-Vorstände Carsten Thomsen-Bendixen (l.) und Hans-Jürgen Block (r.) mit ISH-Glücksfee Heike Meggers und dem Gewinner der Ballonfahrt Prof. Dr.-Ing. Friedrich Fuchs
ISH-Vorstände Carsten Thomsen-Bendixen (l.) und Hans-Jürgen Block (r.) mit ISH-Glücksfee Heike Meggers und Preisrätsel-Gewinner Prof. Friedrich Fuchs
Während des Parlamentarischen Abends hat die Innovationsstiftung erstmals einen Ausschnitt aus ihrem neuen Informationsfilm über Bioenergie in Schleswig-Holstein öffentlich vorgestellt. Der im Original 45 Minuten lange Streifen entstand in Kooperation mit dem Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein im Zuge des von der EU im Rahmen der Europäischen Gemeinschaftsinitiative Interreg III B-Nordseeraum geförderten Projektes ProBioEnergy und zeigt differenziert die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten nachwachsender Rohstoffe. Er soll in den kommenden Tagen als DVD über die Internetseite der ISH gegen Zahlung einer Schutzgebühr zu beziehen sein.

Um ihre Gäste auch im Anschluss an die Filmvorführung und die Gastvorträge über das Schwerpunktthema Biomasse ins Gespräch zu bringen, hatten sich die Veranstalter etwas Besonderes ausgedacht. Nicht nur, dass der gereichte Imbiss mit Rapsöl zubereitet war. Im Foyer der Kunsthalle waren drei verschieden große Mengen unterschiedlicher Bioenergieträger ausgestellt. In einem Preisrätsel ging es darum, diejenige mit dem höchsten Energiegehalt herauszufinden. Gewinner Prof. Dr.-Ing. Friedrich Fuchs von der Technischen Fakultät der Uni Kiel kann sich freuen: Er erhielt – gestiftet von der E.ON Hanse AG – eine Fahrt für zwei Personen im Heißluftballon über die Rapsfelder Schleswig-Holsteins.


Folien des Vortrags von Dr.-Ing. Schütte auf dem Parlamentarischen Abend der ISH am 10.11.05
Folien des Vortrags von Dr. Traulsen auf dem Parlamentarischen Abend der ISH am 10.11.05
 
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