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15.11.2005 Hochschule

Kieler Forscher untersuchen hochaktive Tiefsee-Krater vor der Küste Mittelamerikas

Die Umgebung ist kalt, lichtlos und mutet ausgesprochen lebensfeindlich an. Doch am Grund der Tiefsee gibt es Regionen mit Lebensformen, die hoch spezialisiert und angepasst an diese Verhältnisse sind. In solchen Regionen brodelt es, Gase entweichen aus dem Boden, Erdbeben erschüttern den Meeresgrund und können Schlammlawinen auslösen. Die Ursache liegt tiefer unter dem Meeresboden: Dort, an den Grenzflächen zweier Erdplatten, wird Meeresboden vernichtet, aufgeschmolzen, recycelt. Was dort genau passiert, was am Meeresboden lebt und welche Stoffe und Energien umgesetzt werden, wollen die Wissenschaftler des Kieler Sonderforschungsbereichs 574 (Volatile und Fluide in Subduktionszonen) herausfinden. Eine Expedition mit dem Forschungsschiff METEOR ist jetzt von der Küste Mittelamerikas nach Kiel zurückgekehrt.

Die Expedition M66-2 unter der Leitung von Dr. Gregor Rehder vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel führte vor die Küsten Costa Ricas und Nicaraguas. Ausgerüstet mit modernster Meerestechnik wie dem Tiefseeroboter (ROV ) QUEST des MARUM Bremen wurden zwischen 400 und 2000 m Wassertiefe Gebiete untersucht, in denen Wässer aus großen Sedimenttiefen befrachtet mit Gasen und Nährstoffen an die Sedimentoberfläche gelangen. Dort ermöglichen sie, unter Verwendung von Methan und Entstehung des für die meisten Organismen toxischen Schwefelwasserstoffs, den Aufbau der einzigartigen Lebensgemeinschaften der Oasen der Tiefsee.

Boden der Tiefsee
Landschaft aus Bakterienmatten in 400 m Wassertiefe: Die Forscher nehmen an, dass unterschiedliche Batterienbesiedlung von unterschiedlicher Stärke des Fluidenstroms zeugt Foto: MARUM Bremen
Die unterseeischen Quellen sind Endstation eines komplizierten Flüssigkeitskreislaufes: Große Mengen wasserreicher Sedimente werden am mittelamerikanischen Tiefseegraben unter die Festlandsplatte geschoben. Auf dem Weg in immer größere Tiefe entstehen mit Methan und Nährstoffen angereicherte Fluide, die unter zunehmender Hitze und unter der Last des Kontinents aus den Sedimenten ausgedrückt werden und auf verschiedenen Wegen an die Oberfläche des Meeresbodens zurückgelangen.

Besonderes Highlight der Fahrt war nach Informationen der Kieler Uni vor allem die Entdeckung von hochaktiven, von Bakterienmatten besiedelten Kratern. "Damit haben wir neben den schon vorher untersuchten Sedimenterhebungen und den durch das Kollidieren von Seebergen mit der Kontinentalplatte entstehenden Hangrutschungen eine dritte geologische Form der Entwässerung vor Costa Rica gefunden, die wir noch gar nicht kannten“, sagt  Fahrtleiter Rehder. „Diese Entdeckung beim letzten Tauchgang der Expedition wird uns noch länger beschäftigen."

Zudem konnten an einer Hangrutschung, dem "Jaco Scarp", erstmals nachgewiesen werden, dass die dort entweichenden methanhaltigen Wässer aus mehreren Kilometern Tiefe aufsteigen. Dies war bisher nur von einigen der Sedimenterhebungen bekannt und spielt eine wichtige Rolle für eine im Sonderforschungsbereich entdeckte Beziehung zwischen der Entwässerung von Mineralien und dem Einsetzen von Erdbeben.

Die Ausbeute der Expedition besteht neben einzigartigen Videoaufnahmen aus einer Vielzahl von Proben, die bereits an Bord detaillierten Analysen unterzogen wurden und die nun in den Speziallaboren weiter bearbeitet werden.

Der Sonderforschungsbereich 574 wurde im Jahr 2001 eingerichtet. Kieler Forscher von Universität und Leibniz-Institut für Meereswissenschaften erkunden die geologischen Prozesse an Kontinentalrändern. Der Stoffaustausch an diesen so genannten Subduktionszonen ist ein wichtiger Regelfaktor für das globale Klima.

Mit den neuen Puzzleteilen aus der Tiefsee werden die Wissenschaftler nun versuchen, die komplexen Prozesse am Kontinentalhang Mittelamerikas und ihre Auswirkung bis zum Vulkangürtel an Land besser zu verstehen. Auch wenn die Forscher in Zukunft ihr Hauptaugenmerk an die Kontinentalabhänge vor der chilenischen Küste verlagern, wollen sie so oft es geht nach Costa Rica zurückkehren. Vieles liegt dort noch in der lichtlosen Weite der Tiefsee verborgen, hieß es.


 
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