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15.04.2005 HWT / Bioenergie

Biogas: Der Mix macht's

Mit der Energiegewinnung aus Biomasse ist es so wie bei der Zubereitung eines leckeren Abendessens: Ein bisschen zuviel von einer Zutat kann die Mühe ganz schnell zunichte machen. Weil der Betrieb einer typischen Biogasanlage auf Güllebasis allein nicht wirtschaftlich ist, mischen die Betreiber den Tiermist meist mit energiereichen Co-Substraten wie Maissilage oder anderen nachwachsenden Rohstoffen. Doch stimmt die Mischung nicht, laufen die für die Gasbildung notwendigen mikrobiologischen Prozesse nur ineffizient ab. "Die allerwenigsten Biogasanlagen arbeiten so, wie sie sollen", sagt Dr. Helga Andree vom Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik (ILV) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Im Fermenter erfolgt die Vergärung in einem vierstufigen Prozess, für den stabile Bakterienpopulationen notwendig sind. Die Bakterien leben in einer höchst empfindlichen Symbiose, bei der "mehr" nicht gleich "besser" bedeutet. Ein Zuviel an leicht verdaulichen Nährstoffen zum Beispiel nutzen die Säurebildner unter den Bakterien gnadenlos zu vermehrtem Wachstum. Daraufhin sinkt der pH-Wert, und die säureintoleranten Methanbildner stellen ihre Arbeit ein - der Prozess beginnt zu kippen.

Eine Überreaktion des Betreibers verschlimmert die Situation: Steht weniger Biogas zur Verfügung, als für den Betrieb des Gasmotors bei Nennleistung erforderlich ist, sinkt dessen mechanischer Wirkungsgrad. Biogasanlagen werden deshalb vielfach überfüttert. Auch mit der Gülle eingebrachte Antibiotika oder Schwermetalle beeinflussen das Milieu. Im Extremfall droht ein Zusammenbruch der Gasproduktion. Dann dauert es Wochen, bis sich die Anlage wieder regeneriert hat.

Die genaue Kenntnis der zugeführten Substrate kann solche Kettenreaktionen verhindern. Doch genau daran fehlt es bislang. "In der Praxis werden die meisten Biogasanlagen blind betrieben", sagt Andree. Den Betreibern fehle es schlicht an Möglichkeiten, die Inhaltsstoffe der eingesetzten Substrate zu charakterisieren. Stichproben zu entnehmen und im Labor analysieren zu lassen, sei bei Fermentern mit mehr als 1000 Kubikmetern Inhalt zu ungenau und dauere zu lange. Eine kontinuierliche Wareneingangskontrolle wäre die Lösung. Mit NIRS könnte sie Realität werden.

NIRS, das steht für Nahinfrarotspektroskopie und bezeichnet ein Verfahren, das auf der Absorption infraroter Strahlung beruht. Aus dem Grad der Absorption kann berührungslos auf die Inhaltsstoffe des zu analysierenden Mediums geschlossen werden. Für die Analyse von Schweinegülle hat das Kieler Institut bereits eine auf NIRS basierende Messzelle entwickelt. "Dabei ging es darum, aus der Gülle Rückschlüsse auf die Fütterung zu ziehen", erzählt Andree. Vorne rein, hinten raus - was bei den Schweinen funktioniert, soll nun auf Biogasanlagen übertragen werden.

Ziel ist es, bereits im Zulauf des Fermenters Rückschlüsse auf die zu erwartenden chemischen Prozesse und damit den Gasertrag ziehen zu können. Partner in dem Projekt, das von der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein und dem Kieler Bildungsministerium finanziell unterstützt wird, ist die Firma BiomasseVerwertung aus Eckernförde. Eine von BiomasseVerwertung geplante und mit Partnern betriebene Anlage in Holtsee wird für das Projekt zum Referenzobjekt.

Der Einsatz von NIRS in Biogasanlagen stellt die Wissenschaftlerin aufgrund der weitaus komplexeren Substrate vor deutlich höhere Anforderungen. Mit Hilfe von multivariaten statistischen Methoden will Andree die Mixturen entsprechend der noch festzulegenden Parameter kalibrieren. Die Substratmischung soll zum einen stabile Prozesse im Fermenter liefern, darüber hinaus am Ende vollständig ausgefault sein und genau die Menge Biogas erzeugen, die der Motor der Anlage verstromen kann. Wird dieses vielschichtige Optimierungsproblem gelöst, steht der Biogasbranche ein einzigartiges Werkzeug zur Verfügung.


 
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