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04.11.2005 Bioenergie

Kolben unter der Lupe

Wenn in diesen Tagen ein Mann mit Endoskop auf dem Bauernhof auftaucht, muss sich niemand um die Gesundheit des Landwirts sorgen. Das Gerät wird nicht für eine Spiegelung von Knie oder Magen verwendet, sondern zur Inspektion der Zylinder im Motor des Traktors – durch Glühkerzen oder Injektoröffnungen hindurch. So ist der Mann kein Arzt, sondern ein Mitarbeiter der DEULA Schleswig-Holstein: Die Lehranstalt für Agrar- und Umwelttechnik in Rendsburg untersucht bundesweit Schlepper, die auf pures Rapsöl umgestellt wurden.

Rapsöl ist wie andere Pflanzenöle äußerst energiereich. Weil der Rohstoff nachwächst und bei seiner Verbrennung nur soviel CO2 entsteht, wie die Pflanze zuvor aufgenommen hatte, ist es vorteilhaft, ihn als Kraftstoff für Fahrzeuge einzusetzen. Doch herkömmliche Dieselmotoren wären nach kurzer Zeit hinüber, betriebe man sie mit Pflanzenöl. Das Öl ist vor allem bei niedrigen Temperaturen zähflüssiger als Diesel und zeigt völlig andere Verbrennungseigenschaften. Was also tun? Zwei Möglichkeiten gibt es.


Quellen für Fotomontage: photocase.com, eigenes Foto
Die erste besteht darin, das Öl zu verändern. In Raffinerien werden unter anderem die Fettsäuren mit Alkohol verestert. Es entsteht Biodiesel. Dieser hat sehr ähnliche Eigenschaften wie normaler Dieselkraftstoff, ist also leicht entzündlich, aber umweltfreundlicher. Zahlreiche Autofahrer fahren heute bereits mit Biodiesel.

Bei der zweiten Möglichkeit bleibt das Rapsöl, wie es ist. Stattdessen wird der Motor angepasst. Die Vorstellung entzückt jeden Landwirt: In einer eigenen Mühle kann er sich den Treibstoff durch Kaltpressung der Rapssamen selbst herstellen. Der Weg zur Raffinerie entfällt, ebenso die Aufbereitung. Obendrein lässt sich der Presskuchen als Tierfutter vermarkten. Doch Vorsicht: Rapsöl in den Tank statt an den Salat – das funktioniert nur, wenn Technik und Ölqualität mitspielen.


Bereits ab Ende der 70er Jahre habe es Versuche mit Umrüstsystemen gegeben, erzählt DEULA-Geschäftsführer Dr. Hardwin Traulsen. Immer wieder seien dabei Verharzungen und Verkokungen, das sind kohlenstoffhaltige Rückstände, im Zylinderraum aufgetreten. Doch die Technik hat sich weiterentwickelt, und mit steigenden Energiepreisen ist das Interesse an Rapsöl gestiegen. "In Deutschland werden heute etwa zehn verschiedene Umrüstsysteme angeboten", sagt Traulsen. Grundsätzlich kann dabei nach der Anzahl der Tanks unterschieden werden. Um die kritische Phase bei kaltem Motor zu überbrücken, starten Zweitanksysteme mit normalem Dieseltreibstoff. Ist die nötige Temperatur erreicht, wird auf Rapsöl umgeschaltet. Kurz vor Fahrtende geht’s zurück in den Dieselbetrieb, um später erneut starten zu können. Die Mehrheit der Umrüster setzt auf dieses Verfahren.

Dagegen kommen Eintank-Systeme allein mit Rapsöl aus. Die Anbieter ändern dazu Einspritzsteuerung und Kolbengeometrie, oder sie beheizen Düsen und Filter. Ein Konzept sieht vor, zwischen Tank und Brennraum zusätzliche Filter und Ultraschall-Behandlungen einzubauen. Das Angebot ist also völlig uneinheitlich, ebenso ist es der Preis: Zwischen 1.000 und 7.000 Euro kostet die Umrüstung. Der Preis pro Liter Rapsöl beträgt je nach Abnahmemenge derzeit etwa 60 bis 75 Cent.

"Wir wollen wissen, welches System unter welchen Voraussetzungen geeignet ist", sagt Traulsen. Daher untersucht die DEULA Schlepper, die mindestens 200 Stunden mit Rapsöl betrieben wurden. Aufbauen können die Rendsburger auf Ergebnissen des "100 Traktoren Programms" der Bundesregierung. Seit 2001 wurden darin Fehlerursachen beim Betrieb mit Rapsöl analysiert. Vor allem defekte Einspritzeinrichtungen haben demnach Probleme verursacht. Doch modernste Motoren seien nicht erfasst worden, meint Traulsen. Außerdem fehle die Differenzierung nach den Anwendungen.

Nach den Erfahrungen dieser Studie ist auch Skepsis bei der Eigenpressung des Öls angebracht: "Es nicht einfach, aus dem Presssaft einen sauberen, DIN-gerechten Treibstoff aufzubereiten", sagt Traulsen. Er rät Landwirten daher, nicht zwei Schritte auf einmal zu gehen und sofort selbst pressen zu wollen. Die Fahrzeughersteller zeigen seinen Angaben zufolge bislang kein Interesse am Thema Rapsöl. "Noch steht die Einheitsfront der Ablehnung. Wir sind gespannt auf die  Agritechnica im November."


 
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