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06.03.2006 Biotechnologie

Biowirkstoffe: Die Waffen der Pflanzen

Von ihrem Namen sollte sich niemand täuschen lassen. Sekundäre Pflanzenstoffe sind alles andere als zweite Wahl! Zwar dienen sie nicht unmittelbar dem Wachstum der Pflanze. Sie können aber dennoch wichtige Funktionen besitzen. Als Farb- oder Aromastoffe beispielsweise locken sie Insekten für die Bestäubung oder Vögel für die Verbreitung des Samens an. Andere Verbindungen schützen die Pflanze vor UV-Licht. Und wieder andere können Teil einer trickreichen Abwehrstrategie sein. Wie bei der Kartoffel: Knabbern Käferlarven an der Kartoffelpflanze, setzt diese einen Duftstoff frei, der Raubwanzen herbeilockt – die nur zu gern die Käferlarven fressen.

"Pflanzen produzieren eine große Vielfalt an sekundären Inhaltsstoffen", sagt Karin Krupinska, Professorin am Botanischen Institut der Uni Kiel. Mehr als 30.000 Substanzen könne man heute aufgrund ihres Biosyntheseweges verschiedenen Gruppen zuordnen. "Die Bedeutung der einzelnen Inhaltsstoffe für die jeweilige Pflanze ist aber noch weitgehend unklar." Nichtsdestotrotz werden viele der Verbindungen vom Menschen seit langem genutzt, zum Beispiel als Farbstoff, Arznei oder Parfüm.

Prof. Dr. Karin Krupinska
Koordiniert das ISH-Netzwerk "Biowirkstoffe und Ernährung": Prof. Dr. Karin Krupinska vom Botanischen Institut der Uni Kiel
Schlagartig erhöht hat sich das Interesse an sekundären Pflanzenwirkstoffen, seit in jüngster Zeit mehr über ihr gesundheitsförderndes Potenzial bei Menschen bekannt wurde. Nutraceuticals nennt man heute jene Biowirkstoffe, die für die Prävention von Krankheiten von Bedeutung sind. Polyphenole im Grüntee, Resveratrol im Rotwein oder der Farbstoff Lycopin in der Tomate zählen zu den bekannten Beispielen. Das Spektrum der ihnen zugeschriebenen Wirkungen ist ansehnlich: Es reicht von der Stimulierung des Immunsystems bis zur Senkung des Krebsrisikos.

Schon die Bezeichnung "Nutraceutica"l – abgeleitet aus den Worten "Nutrition" (Ernährung) und "Pharmaceutical" (Heilmittel) – macht deutlich: Wer sich mit diesen Stoffen beschäftigt, arbeitet an der Schnittstelle verschiedener naturwissenschaftlicher Disziplinen. "Die Wirkungsmechanismen der Inhaltsstoffe auf zellulärer Ebene interessieren Zellbiologen aus der Medizin und Ernährungswissenschaftler gleichermaßen wie Botaniker", sagt Krupinska.

Mit Unterstützung der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein koordiniert die Professorin künftig den Aufbau eines Netzwerkes zum Thema Biowirkstoffe. Basis für die Erforschung von Nutraceuticals und gleichsam »Keimzelle« für das Netzwerk ist das im Oktober 2002 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Land Schleswig-Holstein an der Kieler Uni eingerichtete "Graduiertenkolleg 820", ein spezielles Ausbildungsprogramm nach US-Vorbild für Doktoranden und Habilitanden. Forscher aus sieben Instituten in drei verschiedenen Fakultäten sind darin einer Untergruppe der pflanzlichen Fitmacher auf der Spur: den Antioxidantien.

Antioxidantien entwaffnen aggressive Sauerstoffmoleküle, so genannte freie Radikale. Diese sind als natürliche Stoffwechselprodukte im menschlichen Körper vorhanden. Durch Umwelteinflüsse, Stress, Rauchen oder Alkohol können jedoch die Selbstregulation gestört und krankhafte Prozesse in den Körperzellen ausgelöst werden. Die Forscher wollen wissen: Wie werden die Substanzen gebildet und wie wirken sie? In welcher Menge sind sie nützlich, in welcher schädlich? Welche Wechselwirkungen der Stoffe gibt es untereinander?

Dass auch Züchter und Pharmaunternehmen an Antworten interessiert sind, zeigt das Beispiel Tocotrienol. Diese mehrfach ungesättigte Vitamin-E-Verbindung lässt sich zur Behandlung und Prävention von Arteriosklerose und verschiedenen Krebsarten einsetzen. Tocotrienol kann in vier verschiedenen Isomeren in Pflanzen vorkommen. In einem Verbundvorhaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe arbeitet das Team von Professorin Krupinska mit der Norddeutschen Pflanzenzucht und der Strathmann Biotec daran, möglichst viel medizinisch wirksames Tocotrienol aus Gerste zu gewinnen. Der Wirkstoff soll dann zu entsprechenden Produkten verarbeitet werden.

Das neue Netzwerk wird künftig die ganze Bandbreite der Biowirkstoffe umfassen und nicht – wie das Graduiertenkolleg – auf Antioxidantien beschränkt sein. Ob Meereswissenschaften, Pharmazie oder Zoologie – Impulse für neue Projekte könnten aus verschiedenen Fachbereichen kommen. "Die Biologie unserer Zeit ist keine Wissenschaft, die man im Elfenbeinturm betreiben kann", sagt Krupinska. "Sie hat großes Anwendungspotenzial und Auswirkungen auf viele Lebensbereiche."


 
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