22.02.2006 | Bauen und Wohnen |
Eiskalte MauertaktikAn die Farbe müssen sich die Maurer vielleicht erst gewöhnen. Nicht weiß, sondern pastellgrün sind die neuesten Porenbetonsteine, die die Firma H+H Celcon in Wittenborn im Kreis Segeberg produziert. Die Farbe dient lediglich der Unterscheidung. Von außen wäre sonst nicht zu erkennen, dass die Steine Hightech in sich tragen: mikroskopisch kleine Kunststoff-Kügelchen, in denen Paraffin eingeschlossen ist. Das wachsartige Gemisch aus Kohlenwasserstoffen kann Temperaturspitzen im Wohnraum ausgleichen und beim Energiesparen helfen. Es ist ein so genannter Latentwärmespeicher.Materialien mit Latentwärmespeicher zählen zu den Hoffnungsträgern im Baubereich. Ihre Vorzüge kommen vor allem an warmen Tagen zum Tragen wenn durch die Fenster einstrahlendes Sonnenlicht die Raumtemperatur rasch ansteigen lässt. Besonders bei Passivhäusern könne dies ein Problem sein, berichtet Dietmar Walberg von der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen ARGE. Denn der solare Wärmeeintrag im Winter erwünscht kann im Sommer zu Problemen wegen Überhitzung führen. Kleinklimageräte zur sommerlichen Wärmeregulierung erfahren in Deutschland bei privaten Hausbesitzern eine immer stärker werdende Nachfrage. "Das ist primärenergetisch hochbedenklich", sagt Walberg. ![]()
Verkapseltes Paraffin in der Mikroskopaufnahme Quelle: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE / BASF
Wie viel Energie ein Phasenwechsel aufnehmen kann, verdeutlicht ein Beispiel: Will man Eis (0° C) zu Wasser (ebenfalls 0° C) schmelzen, benötigt man laut Fachinformationszentrum Karlsruhe etwa die gleiche Energiemenge, die nötig ist, um Wasser von 0° auf 80° C zu erhitzen. Der Einsatz von Phasenwechselmaterialien in Gebäuden wird seit einigen Jahren intensiv erforscht. In Folge eines bundesweiten Kooperationsprojektes - unter anderem mit Beteiligung des Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE - ist es BASF vor rund zwei Jahren gelungen, Wachströpfchen mit einem Durchmesser von 2 bis 20 Mikrometer mit einer Kunststoffhülle zu ummanteln. Die Kapseln seien absolut dicht, sagt der technische Manager Marco Schmidt. Tests mit 10.000 Speicherzyklen hätten die Wirksamkeit bestätigt. Die Mikroverkapselung ist ein Schritt hin zu breiten Anwendungen: PCM kann damit in herkömmliche Baumaterialien eingebracht werden. Schleifen, Bohren oder Schneiden des Materials stellt kein Problem dar: Aufgrund der geringen Durchmesser der Kügelchen sind sie mechanisch nahezu unzerstörbar. Nennenswerte Speicherverluste sind nicht zu befürchten. Zunächst wurden Innenputz und Gipskartonplatten mit den Mikrokapseln ausgestattet. In Zusammenarbeit mit H+H Celcon ist nun der neue Porenbetonstein entstanden. "Es ist der erste PCM-Baustoff, der auch statisch belastbar ist", sagt Schmidt. Der Innenraum erhalte seinen latenten Wärmespeicher nicht nachträglich einfach Mauer hochziehen, fertig. "Der simple Porenbetonstein wird zum Funktionselement." Doch genau über diese Funktion müssen Handwerker, Bauherren und Architekten im Bilde sein. Wer beispielsweise eine PCM-Porenbetonwand mit Innendämmung versieht, macht den Temperierungseffekt fast gänzlich zunichte. Wärme aus dem Raum kann dann nicht mehr so leicht zur Wand durchdringen. "Der Informationsbedarf bei innovativen Materialien ist hoch", sagt auch ARGE-Experte Walberg. PCM sei nur ein Beispiel aus einer ganzen Reihe zugelassener, innovativer Dämmstoffe. Als Koordinator eines neuen, von der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein geförderten Netzwerkes sieht Walberg seine Aufgabe dann auch darin, diese Baumaterialien ins Bewusstsein von Anwendern und Forschern zu rücken. Die Chance dazu bietet das erste Fachforum im März. Ein Thema des Programms: Latentwärmespeicher. |
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