02.05.2006 | Nanotechnologie / HWT |
Meister der PräzisionStellen Sie sich vor, Sie sollen eine 600 Kilometer lange Straße teeren. Die neue Teerdecke muss überall gleich dick sein, zugelassen ist eine Abweichung von maximal einem Millimeter. Unmöglich, werden Sie denken. Etwas Vergleichbares vollbringt die Firma Incoatec täglich gleich mehrfach im Kleinstformat. Das Geesthachter Unternehmen produziert Multilayer-Optiken: aus vielen Einzelschichten aufgebaute Röntgenspiegel. Solche Spiegel kommen in Messgeräten zum Einsatz. Jede Schicht ist nur wenige Atomlagen dünn und darf lediglich minimal von der berechneten Vorgabe abweichen.Röntgenstrahlen werden etwa in Biologie und Chemie verwendet, um unbekannte Kristallstrukturen zu bestimmen. Die Pharmaforschung ist zum Beispiel daran interessiert, die Struktur bestimmter Viren oder anderer Proteine zu vermessen, von denen man bisher lediglich die atomare Zusammensetzung kennt. Je genauer das geht, desto besser lassen sich Medikamente entwickeln, die auf diese Struktur wirken, erläutert Incoatec-Geschäftsführer Dr. Jörg Wiesman. Ohne Röntgenoptik würden sich die Strahlen geradlinig ausbreiten und die meisten Materialien durchdringen. Am Röntgenspiegel werden sie reflektiert: Geometrie und Wellenlänge des Strahls können mit Hilfe des Multilayers gezielt modifiziert werden. Ein solcher Multilayer besteht dabei stets aus zwei verschiedenen Materialien, die abwechselnd bis zu mehrere hundert Mal übereinander auf eine Trägerform geschichtet werden. Jeder Röntgenspiegel wird auf die jeweilige Anwendung abgestimmt und speziell für eine Wellenlänge und einen bestimmten Einfallswinkel konstruiert. ![]()
Präzisionsarbeit: Röntgenspiegel kommen in verschiedenen Messgeräten vor allem in der Forschung zum Einsatz Foto: Incoatec
Präzision ist also angesagt, und schon der Firmenname verrät: Incoatec (innovative coating technologies) nutzt modernste Herstellungsverfahren. Die Geschäftsführer Dr. Carsten Michaelsen und Dr. Jörg Wiesmann waren Mitarbeiter des GKSS-Forschungszentrums und sind für Patente auf dem Gebiet der Beschichtungstechnologie mit verantwortlich. 2002 gründeten sie unter Beteiligung des Geräteherstellers Bruker AXS ihr Unternehmen. Die Beschichtung erfolgt in so genannten Sputteranlagen. Unter Vakuum wird ein Plasma des gewünschten Materials erzeugt, das sich auf dem zu beschichtenden Körper niederschlägt. Als wenn das nicht kompliziert genug wäre, haben die Trägerkörper je nach Einsatzzweck parabolische oder elliptische Formen. Komplizierte Schichtdickenverläufe sind die Folge. Die erzeugten Schichten sind zwischen einem und 10 Nanometer dünn. Zum Vergleich: Der Durchmesser eines Haares beträgt etwa 50.000 Nanometer. Was wir machen, ist in doppelter Hinsicht Nanotechnologie, sagt Wiesmann. Zum einen Beschichten wir im Nanobereich. Zum anderen werden mit unseren Optiken Nanostrukturen gemessen. Das Beschichtungsverfahren weiter zu entwickeln, ist Ziel einer Kooperation zwischen Incoatec und der Arbeitsgruppe von Professor Wolfgang Jäger am Institut für Mikrostrukturanalytik der Uni Kiel. Dort werden Multilayer-Proben am Transmissionselektronenmikroskop untersucht. So können wir erkennen, ob sich das eingesetzte Material glatt und flächig verteilt oder bei der Beschichtung beispielsweise kleinste Inseln bildet. Mit den gewonnenen Erkenntnissen könnten Multilayer mit noch dünneren Einzellagen oder sehr speziellen Grabenstrukturen kostengünstig herstellbar werden. Diese reflektieren Röntgenstrahlen in einer Intensität und definierten Form, wie sie Forschern bisher in Laborgeräten noch nicht zur Verfügung stehen. |
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