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11.07.2006 Bildverarbeitung / Maritime Wirtschaft

Plattfische vor der Linse

Dass das Projekt ausgerechnet im Mai begonnen hat, ist Zufall. Und doch passend. Denn in keinem anderen Monat werden traditionell so viele Plattfische gegessen wie im Wonnemonat: vor allem Schollen, aber auch Steinbutte, die aufgrund ihres festen, weißen Fleisches zu den feinsten Speisefischen zählen. Den Zustand der natürlichen Bestände stufen Umweltschützer aufgrund der Überfischung als katastrophal ein. Jeder vierte verzehrte Steinbutt stammt heute aus Aquakultursystemen – aus Anlagen, die eine kontrollierte Aufzucht ermöglichen. Forscher der Uni Kiel arbeiten mit Partnern an einer neuen Methodik, um mit Hilfe von Kameras das Gewicht der Fische in Aquakulturanlagen mit geschlossenem Wasserkreislauf kontinuierlich zu erfassen.

Aus den Daten wollen die Forscher Erkenntnisse für die Fütterung und Steuerung der Anlagen gewinnen. Denn obwohl die Aquakultur an Bedeutung gewonnen hätte, sei der Entwicklungsbedarf groß. „Gezielte Fischzüchtungen gibt es bislang kaum“, sagt Dr. Eiko Thiessen vom Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik (ILV). Und auch die Regeltechnik sei bislang nur hinsichtlich der Wasseraufbereitung optimiert worden. „Die Eigenschaften des Fisches und das Fischverhalten werden weder automatisiert erfasst noch genutzt.“

Genau das soll sich mit Hilfe von Kameras ändern. Institutsleiter Prof. Dr. Eberhard Hartung beschäftigt sich seit langem mit dem Einsatz von Bildanalysen in der Schweinemast – und nennt die Parallelen: „Es geht darum, dynamische Veränderungen zu dokumentieren“, sagt Hartung. „Mit transparenten und rückverfolgbaren Ergebnissen sind wir in der Lage, Entscheidungshilfen zu geben.“

Steinbutte werden typischerweise bis zu einem Gewicht von rund zwei Kilogramm gemästet. Gefüttert wird mit Futterpellets. Weil die Tiere vergleichsweise selten fressen, wird die Größe der Pellets der Maulgröße angepasst – schließlich soll der Butt möglichst rasch an Gewicht zunehmen. Die Weibchen wachsen deutlich schneller als die männlichen Tiere. Daher müssen die Fische von Zeit zu Zeit der Größe nach sortiert werden. „Für die Betreiber ist es wichtig zu erkennen, wann die Fische wieder sortiert werden müssen und ob unerwartete Veränderungen bei der Entwicklung auftreten, die auf Krankheiten oder technische Defekte schließen lassen“, erläutert Hartung.

Um die Kamera für das Problem nutzen zu können, wird vereinfacht. Indikator für die Gewichtszunahme ist das Wachstum des Fisches. Der Zusammenhang zwischen Größe und Gewicht lässt sich mit Wiegungen und Messungen genau darstellen. Die Kamera soll in definiertem Abstand zum Beckengrund von oben die Fische aufnehmen, die am Boden ruhen. Aus Veränderungen der geometrischen Form lässt sich so am PC auf die Gewichtszunahme schließen. Einzelne Fische müssen dabei nicht wieder erkannt werden, nur die Größenverteilung innerhalb der Gruppe und deren Veränderung sind relevant.

Bei diesem Vorgehen trifft es sich gut, dass der Steinbutt von Natur aus gern am Boden verharrt. Schwimmende Fische sind dichter an der Kamera, wirken dadurch größer und würden falsche Rückschlüsse auf das Gewicht zulassen. Ihre Daten sollen über die Dynamik der Pixelintensitäten in den Bildsequenzen erkannt und für die Größenbestimmung verworfen werden.

Technisches Know-how bringt die Kronshagener Firma bbe Moldaenke in das Projekt ein. Sie stellt Produkte zur Überwachung von Wasserqualitäten her. Beim „Fischtoximeter“ wird der Wasserstrom einer Probe durch einen Behälter geleitet, in dem Zebrafische schwimmen. Eine Kamera beobachtet das Verhalten der Tiere, dass sich schlagartig ändert, wenn Kontaminationen auftreten. Aufbauend auf diesen Erfahrungen in Bildaufnahme und Datenauswertung haben die Wissenschaftler einige Hürden zu meistern. Wie können Überlappungen der Plattfische erkannt, wie Reflexionen durch Wellen ausgeschlossen werden? Und welche Rolle spielt die Beleuchtung? Erste Versuche werden an der Anlage der Firma Ecomares in Büsum durchgeführt. Hartung misst dem Projekt große Relevanz bei. „Was wir suchen, ist eine prinzipielle Lösung“, sagt der Professor, „eine Querschnittstechnologie mit Plattformcharakter“.


 
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