25.04.2007 | Personalien / Hochschule |
"Technik und Aufzucht sind nicht voneinander zu trennen!"Zum Sommersemester 2007 hat Prof. Dr. Carsten Schulz die neu geschaffene Stiftungsprofessur für Marine Aquakultur an der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel übernommen. Diese Professur wird von der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein finanziert und ist mit der wissenschaftlichen Leitung der Gesellschaft für Marine Aquakultur (GMA) verknüpft, die in Büsum den Aufbau einer Forschungsanlage für Fischzucht plant. onside sprach mit dem 34-Jährigen über seine Karriere, seine Pläne und sein Interesse an Fischen.Das Flensburger Tageblatt titelte über Ihre Berufung nach Schleswig-Holstein "Ein Berliner nach Büsum"... Prof. Dr. Carsten Schulz (lachend): und dabei bin ich eine norddeutsche Seele. Ich stamme ursprünglich aus dem Landkreis Vechta in Niedersachsen.
"Norddeutsche Seele": Der neue Professor für Marine Aquakultur an der Uni Kiel, Carsten Schulz
Schulz: Eigentlich stand dieser Entschluss schon recht frühzeitig fest. Die Frage war nur, wie ich ihn umsetzen kann. Mein Vater hatte damals ein paar Fischteiche gepachtet, so dass ich schon als Kind den Kontakt zum Wasser und zu Fischen hatte. Ich habe gern geangelt und zu Hause in Aquarien selbst Fische gehalten. Im Grunde war das bereits die Motivation, mich später auch Studium damit zu beschäftigen. Dazu muss man wissen, dass bis Ende der 80er das Thema Fischzucht im Westen wenn überhaupt nur als Nebenfach angeboten wurde. Dann kam mit der Wiedervereinigung die Möglichkeit, dieses als vollwertiges Studium an der Humboldt-Universität zu absolvieren. Der Studiengang hieß damals Fischwirtschaft und Gewässerbewirtschaftung. Diesen Weg habe ich gewählt. Seit Abschluss des Studiums 1997 bin ich demnach Agraringenieur der Fachrichtung Fischwirtschaft und Gewässerbewirtschaftung. An der Humboldt-Uni haben Sie zuletzt als Juniorprofessor für Aquakultur gearbeitet. Haben Sie dort entsprechende Anlagen betreut? Schulz: Die Uni hat mir mit der Berufung zum Juniorprofessor die Chance gegeben, dort eine kleine Forschungseinrichtung aufzubauen. Diese Systeme sind jedoch nicht vergleichbar mit den Kapazitäten, die am Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei IGB existieren. Das IGB in Ostberlin ist als Leibniz-Institut 1992 aus verschiedenen Vorläuferinstitutionen hervorgegangen. Dort habe ich die Versuche für meine Promotion durchgeführt. Und auch während meiner Zeit als Juniorprofessor habe ich eng mit den Kollegen vom IGB zusammengearbeitet. Welche neuen Möglichkeiten bieten sich Ihnen in Schleswig-Holstein? Schulz: Zum Beispiel die Chance, mit Meerwasser zu arbeiten. Das gesamte Feld der Marinen Aquakultur ist hoch interessant, weil es vergleichsweise wenig erforscht ist und dort noch eine ganze Reihe von Fragen zu klären ist Fragen, die man unter Umständen für das Süßwasser schon beantworten kann. Das fängt mit der Haltung an und geht bis hin zur Reproduktion mariner Fischarten. Gibt es prinzipielle Unterschiede zur Arbeit mit Süßwasserfischen? Schulz: Marine Anlagen sind nicht grundlegend anders. Aber es gibt Feinheiten, die insbesondere beim Bau von technischen Vorhaben zu berücksichtigen sind. Die Wasseraufbereitung in einem solchen Kreislaufsystem gehört beispielsweise dazu. Ist die Fischzucht in Kreislaufanlagen ökologisch vertretbar? Schulz: Generell muss man festhalten, dass eine tierische Produktion ohne den Anfall von Exkrementen nicht existiert. Es gilt, Systeme zu schaffen, die ein Höchstmaß an Umweltverträglichkeit bieten dadurch, dass Abfall- und Schadstoffe separiert und im optimalen Falle weiter aufbereitet und genutzt werden. Großer Vorteil der Kreislaufsysteme ist, dass integrierte Reinigungssysteme das Prozesswasser aufbereiten und lediglich sehr geringe Abwassermengen ausgetauscht werden müssen. Die zur Produktion einer bestimmten Fischmasse benötigte Wassermenge ist somit in Kreislaufsystemen im Vergleich zu anderen Produktionssystemen am geringsten. Wie sieht es mit der ökonomischen Seite solcher Anlagen aus? Schulz: Leider wurden in der Vergangenheit sehr viele Kreislaufanlagensysteme geschaffen, die nicht unbedingt wirtschaftlich arbeiten. Deshalb wird es eine wesentliche Aufgabe in Büsum sein, Systeme zu schaffen, die sich wirtschaftlich tragen. Aus Umweltsicht ist auf jeden Fall ein Kreislaufsystem zu bevorzugen, aber es gibt sicherlich Dinge, die dabei besser zu lösen sind, um eine maximale Wirtschaftlichkeit in der Produktion zu erreichen. Klingt so, als bräuchten Sie jede Menge technisches Wissen Schulz: Ich bin kein Bauingenieur. Aber wenn es um die Dimensionierung der einzelnen Aufbereitungs- oder Haltungsmodule geht, da kann ich so hoffe ich zumindest einigermaßen kompetent Auskunft geben. Die technische Optimierung ist ein Element der Aquakultur, die Fischzucht ein anderes. Welche Richtung wird in Büsum überwiegen? Schulz: Technik und Aufzucht sind nicht voneinander zu trennen, weil für die Aufzucht eine bestimmte Technik benötigt wird. Daher werden wir simultane Ansätze verfolgen. Wichtig ist, beim Bau der Anlage darauf zu achten, dass man die Flexibilität hat, auf nahezu allen Gebieten arbeiten zu können. Später wird sich dann zeigen, wo es zum Beispiel Kooperationsmöglichkeiten mit Unternehmen oder mit wissenschaftlichen Organisationen gibt. Das ist etwas, das mich an der Agrarforschung allgemein fasziniert: Dass wir an wirklich praxisrelevanten Dingen arbeiten. ![]()
Fischbecken in einem Süßwasserkreislauf im Berliner IGB. "Aus Umweltsicht ist ein Kreislaufsystem zu bevorzugen", sagt Prof. Carsten Schulz.
Schulz: Der Forschungsbereich Aquakultur ist erst 30 bis 40 Jahre alt. Demnach wissen wir auch nur Bruchteile von dem, was wir von anderen landwirtschaftlichen Nutztieren wissen. Gerade im Hinblick auf moderne Züchtungsformen wurde bei den landwirtschaftlichen Nutztieren Pionierarbeit geleistet. Denken Sie zum Beispiel an die ganze molekulargenetische Aufarbeitung. Wenn sich damit Leistungsparameter leichter herauszüchten lassen als bei klassischen Züchtungsverfahren, ist das etwas, das auch bei Fischen angewendet werden könnte wenn es nicht schon in Teilen gemacht wird. Nichtsdestotrotz sollten wir auch aus Fehlern, die die Landwirtschaft in der Vergangenheit gemacht hat, lernen. Mit welchen Fischarten werden Sie in Büsum arbeiten? Schulz: Auch dabei versuchen wir, höchst variabel zu sein und eine Vielzahl an marinen Fischarten halten zu können vom Plattfisch bis hin zum tropischen Zierfisch. In welchen Bereichen könnten Schwerpunkte der Forschung liegen? Schulz: Zum einen in der Fischhaltungstechnologie, um Systeme zu entwickeln, die in jeder Hinsicht nachhaltig nutzbar sind. Ein optimales Haltungsmanagement für jede Fischart zu erarbeiten, wäre ein anderer Schwerpunkt. Weiteres Thema ist auch die Erarbeitung von Futtermittelrezepturen, die auch der derzeitigen Rohstoffsituation Rechnung tragen, zum Beispiel zu versuchen, hohe Anteile an Fischmehl durch alternative Proteinträger zu substituieren. Dementsprechend werden dann sicher auch die Fächer sein, die die Studenten an der Kieler Uni bei Ihnen belegen können Schulz: Gemeinsam mit den Kollegen arbeite ich gerade an einem tragfähigen Lehrkonzept, um Studierende für diese spezielle Richtung gewinnen zu können. Es wird dabei ebenso um technologische Grundlagen zur Fischhaltung gehen wie um speziellere Themen wie eben Fischernährung oder Fischzüchtung. Und unter Umständen können wir zudem noch über den Tellerrand blicken, um auch tropische Systeme den Studenten näher zu bringen. Da Sie gern Fisch essen abschließend noch diese Frage: Welcher Fisch ist ihr ganz persönlicher Favorit? Schulz: Mein Lieblingsfisch ist noch immer die selbst geangelte Bachforelle! |
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