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29.11.2006 Lebensmitteltechnologie

Mahlzeit mit Mehrwert

Schaut man in sein Inneres, dann sieht der Doppelschnecken-Extruder ein wenig aus wie ein Fleischwolf. Und in der Tat: Ursprünglich für die Kunststoff-Verarbeitung entwickelt, wird die Technik der Extrusion bereits seit Jahrzehnten auch zur Erzeugung von Nahrungsmitteln eingesetzt. So war die Motivation eine ganz besondere, als vor vier Jahren das Lebensmittelinstitut KIN in Neumünster eine solche Anlage erwarb: "Wir wollten damit nicht das 1000. Frühstückscereal entwickeln", sagt Sabine Palberg, Projektleiterin für den Bereich Neue Technologien. Weitere Anwendungsgebiete zu erschließen sei das Ziel des Instituts.

Bislang setzt die Lebensmittelindustrie vornehmlich Getreide in solchen Extrudern als Rohstoff ein. Vieles aus dem Müsliregal – Crispies, Cornflakes und Co. – wird mit Hilfe der Kurzzeit-Hochtemperatur-Extrusion hergestellt. Das gemahlene oder geschrotete Getreide wird mit Wasser versetzt und zur Schneckenwelle geführt. Bei hohen Temperaturen bis zu 200 Grad Celsius wird die Masse durch das Drehen der Welle mechanisch verdichtet und mit Druck durch eine Düse gepresst. Der schlagartige Druckverlust beim Austritt aus der Düse bewirkt, dass das Wasser verdampft und die Masse aufbläht.

Kochen und neu formen – dieses Grundprinzip hat mehrere Vorteile: Es entstehen standardisierte Zwischenprodukte in großer Formen- und Rezepturvielfalt, die zu verzehrfertigen Endprodukten weiterverarbeitet werden. Temperatur, Druck und Verweildauer sind die Parameter, die den Extrusionsprozess maßgeblich beeinflussen.

Klassischerweise arbeitet das KIN in seinem Forschungs- und Entwicklungsbereich mit den Ausgangsstoffen Fleisch, Fisch und Gemüse. Das Institut wird von einem Verein getragen, dessen Mitglieder Firmen der  Lebensmittelbranche sind. Was also lag näher, als zu untersuchen, inwieweit auch diese Rohstoffe mit der Extrusion verarbeitet werden können. Ein besonderes Augenmerk galt dabei der Nasstexturierung.

Bei der Nassextrusion wird mit hohen Wasserzugaben gearbeitet, um zum Beispiel texturierte Produkte zu erhalten – Produkte mit faseriger, fleischähnlicher Struktur. Druck und Temperatur sorgen bei der Extrusion dafür, dass die Proteine während des Verfahrens aufgeschlossen werden. Beim Abkühlen entstehen auf molekularer Ebene dann neue Strukturen. Im vergangenen Jahr hat das KIN per Nassextrusion erstmals aus frischem Fleisch und pflanzlichen Proteinquellen ein Nasstexturat erzeugt. Auch mit Gemüse waren die Tests erfolgreich: Karotten, Kartoffeln, Rote Bete und Sellerie ließen sich zusammen mit Getreide oder Fleisch zum Gemüseburger extrudieren.

Da bei den Mischungen Zusätze denkbar sind, spielt die Extrusion auch bei der Entwicklung funktioneller Lebensmittel eine Rolle. 2002 hat der Forschungskreis Ernährungsindustrie FEI aus Bonn beispielsweise festgestellt, dass Haferextrudate mit erhöhtem Gehalt an resistenter Stärke herstellbar sind. Resistente Stärke ist den Ballaststoffen ähnlich, ihr werden gesundheitsschützende Eigenschaften nachgesagt. Projektkoordinator war Jörg Hampshire, seinerzeit Leiter der wissenschaftlichen Abteilung bei den Köllnflockenwerken in Elmshorn und heute Professor an der Hochschule Fulda.

Auch andere Institutionen forschen in ähnliche Richtung. So könnten funktionelle Eigenschaften dem Verbraucher den Snack der Zukunft schmackhaft machen. Sabine Palberg vom KIN sieht für die Extrusion vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Die Untersuchungen werden auch an der Doppelschnecke in Neumünster weitergehen.


 
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