28.11.2006 | Hochschule / Medizintechnik / HWT |
Messmatrix für alle KörperDem geschulten Auge entgeht nichts. Sie haben etwas in der Gesäßtasche, sagt Norbert Vogt von der Forschungsgruppe Industrieanthropologie der Uni Kiel mit Blick auf den Bildschirm. In der Tat: An meine Geldbörse hatte ich nicht gedacht, als ich mich auf die Versuchsmatratze mit den knapp 700 Drucksensoren gelegt habe. Der PC zeigt genau an, wie sich im Liegen mein Körpergewicht verteilt hat und so lassen sich auch Fremdkörper lokalisieren. Druckverteilungsmuster dieser Art und ihre Besonderheiten sind wichtige Bausteine im Verbundprojekt Human Body Sensing.Ob im Stehen, Sitzen oder Liegen: Der Mensch drückt stets mit seinem Gewicht auf die Körper unterstützende Fläche. Besonders kritisch können dabei punktuell die Druckverhältnisse für Bettlägerige und Querschnittsgelähmte werden, sie leiden deswegen oft an Druckgeschwüren. Die Innovationsstiftung Schleswig-Holstein und das Kieler Wirtschaftsministerium fördern ein Verbundprojekt, dessen Ziel die Entwicklung einer multifunktionellen Sensormatrix ist. Mit ihr lassen sich Druckverhältnisse und andere körpernahe Parameter, wie zum Beispiel die Atmung überwachen. ![]()
Liegemustererkennung: Die Sensoren messen, wie sich das Körpergewicht auf der Unterlage verteilt. Foto/Copyright: FIA/Uni Kiel
Was wir benötigen, ist ein präzises, hoch auflösendes Messsystem, sagt INMEDITEC- Geschäftsführer Johannes Meyer.Ein solches System muss neben dem Druck auch Veränderungen bei Temperatur und Feuchtigkeit erfassen, aber das bieten herkömmliche Messmatten bislang nicht. Und schon wirds kompliziert, zumal im Bereich der physiologischen Reaktionen in diesem Umfeld nicht auf eine repräsentative Datenbasis zurückgegriffen werden kann. Einfach eine Normalverteilung zu unterstellen, wäre unrealistisch: Menschen schwitzen extrem unterschiedlich, erläutert Vogt. Also raus aus der Theorie, rein in den Feldversuch! Seit mehreren Jahrzehnten untersuchen Kieler Industrieanthropologen die Vielfalt körperlicher Merkmale gesunder Menschen. Nicht der mittlere Mensch interessiert sie dabei, sondern die große Variabilität von Maßen und Mustern. Ob groß oder klein, schwer oder leicht: Die Forscher stellen je nach Aufgabe repräsentative Probandengruppen zusammen. Ihre Erkenntnisse wurden bereits in vielen Industrieprodukten umgesetzt vom Kinderwagen bis zum Sitz im Omnibus. Die Sensormatrix stellt die Projektpartner vor besondere Herausforderungen, weil nicht nur für alle Menschen, sonder auch für verschiedene Unterlagen Ergebnisse erwartet werden. Denn je breiter die Anwendungsmöglichkeiten des Produktes, desto sicherer ist schließlich der Markterfolg. So kann die Matrix später auch dazu dienen, den Schlaf von Säuglingen zu überwachen und noch weiterentwickelt könnte sie in eine Bekleidung integriert werden, die die Vitalparameter kontrolliert. Die Datenübertragung wird dabei kabellos erfolgen. Die Projektpartner müssen neben den Sensoren auch geeignete Auswertungsverfahren finden und die technische Umsetzung miniaturisieren. Jeder Entwicklungsschritt soll in Kiel praktisch erprobt werden. Die Bewertung der Daten gehört zu den Aufgaben der von Professorin Ursula Pieper geleiteten Kieler Projektgruppe. Wo müssen die Sensoren platziert sein? Welcher Algorithmus dient der Auswertung? Industriepartner INMEDITEC ist dankbar für das wissenschaftliche Know-how. Für uns allein wäre eine solche Entwicklung nicht machbar, sagt Geschäftsführer Meyer. Das geht nur in Zusammenarbeit mit den Hochschulen. |
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