11.07.2007 | Nanotechnologie / Förderung |
Beschichtungen im DauerstressZum Forschen muss Professor Olaf Jacobs manchmal in den Keller gehen. Warum eines der Labore am Kunststoff-Kompentenzzentrum (KUK) der FH Lübeck dorthin verbannt wurde, erklärt sich mit jedem Schritt, den man dem Raum näher kommt. Schon vor verschlossener Tür ist ein Quietschen und Juckeln zu hören, als habe jemand vergessen, nach dem Schauer den Scheibenwischer abzustellen. Wenn Festkörper aneinander reiben, entstehen oft unangenehme Geräusche. Vor allem aber führt die Reibung zu Abrieb und Verschleiß. Und genau der wird hier mit spezieller Analytik erforscht in bis zu 60 Stunden langen Reibungsversuchen.Reibung und Verschleiß verursachten in Deutschland jährlich Kosten von mehreren Milliarden Euro, sagt Jacobs. Kunststoffbauteile aller Art wie Zahnräder, Lagerbuchsen oder Gelenke sind bei ihrem Einsatz Reibung ausgesetzt. Gleitmittel oder Schmierstoffe dürfen oft nicht verwendet werden, und Verstärkungsfasern mit 10 bis 20 Mikrometern Durchmesser können bei Mikrobauteilen nicht verwendet werden. Doch durch Zumischung kleinster Partikel Nanopartikel im Größenbereich weniger Millionstel Millimeter in die Kunststoffe lassen sich deren Reibungseigenschaften beeinflussen. Soweit, so gut. ![]()
Guck mal, wer da forscht: Mit speziellem Gerät untersucht Prof. Olaf Jacobs die Eigenschaften verschiedener Verbundwerkstoffe
Aus diesem Grund hat sich sein Forscherteam gemeinsam mit den Industriepartnern Lehmann & Voss aus Hamburg und Hansechemie aus Geesthacht aufgemacht, grundlegende Regeln für typische Einsatzfälle zu erarbeiten. Bekannte Nano-Kunststoffmischungen (Compounds) werden in ihrer Zusammensetzung variiert und unter verschiedenen Bedingungen tribologisch getestet. Das Projekt wird im Rahmen des Förderprogramms Transferprojekte von EU und Innovationsstiftung Schleswig-Holstein (ISH) mit 100.000 Euro gefördert. Das Augenmerk der Wissenschaftler richtet sich nicht allein auf den Abtrag. Auch die Reibungskraft spielt beispielsweise eine Rolle. Bremsbeläge etwa sollen zwar wenig verschleißen, gleichzeitig aber hoch wirksam sein. Und noch etwas ist bei den Analysen wichtig: die optimale Durchmischung der Teilchen. Nanopartikel lassen sich prinzipiell nur schlecht dispergieren, sagt Jacobs. Also stellt sich auch die Frage: Wie verteilt man sie in dem Kunststoff? Gerade die Vielfältigkeit ist es, die den promovierten Physiker an den Materialwissenschaften fasziniert. Wir arbeiten in einem Grenzgebiet verschiedener Disziplinen sehr nah an der praktischen Anwendung. Wie unterschiedlich die Anforderungen sind, verdeutlicht ein anderes Transferprojekt. Knackpunkt hier: die Haftung. So ist es bei der Verarbeitung von Kunststoffen ein Problem, wenn sich Material etwa nach dem Schmelzen nicht vollständig aus den Formwerkzeugen lösen lässt. Rückstände am Werkzeug führen zu Beschädigungen, daher werden in der Praxis Trennmittel wie Teflon- oder Silikonspray verwendet, die das Anhaften verhindern. Doch in sensiblen Bereichen, zum Beispiel der Medizintechnik, sind diese Mittel oft nicht erlaubt. Die Lösung könnten auch hier Nanopartikel sein. Die Lübecker Wissenschaftler suchen jetzt nach einem Baukastensystem, das es ermöglicht, für unterschiedliche Anwendungsbereiche geeignete Antihaft-Systeme zusammenzustellen. Unternehmenspartner bei diesem Projekt ist die Firma Nanoproofed aus Süsel. Die Materialforschung wird nie langweilig, sagt Jacobs. Und längst nicht für jede Messung gehts in den Keller.
KuK: Forschungsdienst und Prüfstelle in einem |
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