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17.04.2008 Energieeffizienz und Klimaschutz / Innovation und Gesellschaft

Energiezukunft im ländlichen Raum

Tief im Westen ist Vielfalt angesagt. Zwischen Marsch und Geest, Nordsee und Nord-Ostsee-Kanal, Watt und Wald liegt „St. Michel“, wie Einheimische die Gemeinde St. Michaelisdonn im Kreis Dithmarschen norddeutsch-wortkarg nennen. Vier Ortsteile, drei Meter über dem Meeresspiegel, rund 3.700 Einwohner. Zum Golfen geht’s an den Ortsrand, für Kultur schon mal ins Elbeforum nach Brunsbüttel, zum Shoppen gern nach Hamburg. Eine Sache jedoch wird mehr und mehr zu Hause gemacht: Energie.

Seit 1996 erzeugt die „Bio Energie- und Anlagen Produktionsgesellschaft“ BEA in St. Michaelisdonn Biogas. Die Produktionsstätte, deren Bau seinerzeit von der Energiestiftung Schleswig-Holstein gefördert wurde, war die erste große Anlage in Norddeutschland, in der neben Gülle auch andere organische Abfälle, so genannte Co-Fermente, mitverwertet wurden. Auch der Zoll soll hier von Zeit zu Zeit beschlagnahmte Güter wie Zigaretten und Lebensmittel zur Entsorgung vorbeibringen. Vor drei Jahren wurde ein neuer Betriebsteil errichtet, in dem zusätzlich Speiseabfälle angenommen werden.

„Grundlage unseres unternehmerischen Handels ist, Wertschöpfung aus der Region für die Region zu erwirtschaften“, sagt Geschäftsführer Broder Schütt. Damit steht er nicht alleine da. Vor 15 Monaten zog die WES energy GmbH vom Gründerzentrum CAT in Meldorf nach St. Michaelisdonn. „WES“ steht für Wind, Erde, Sonne und damit für gleich drei Energieträger. Das Unternehmen hat die häusliche Energieversorgung im Blick, zum Beispiel mit Kleinwindanlagen. Oder mit Rapsöl, das das Unternehmen zum Tanken anbietet. Jüngste Idee ist die Verknüpfung von Geo- und Solarthermie. Apropos Solarstrom: Auch hierfür gibt es in St. Michaelisdonn mit SolarDirect einen Spezialisten, der Anlagen plant.

So ist es nicht verwunderlich, wenn auch Gemeindevertreter längst über ein regionales Konzept zur nachhaltigen Bio-Energieversorgung nachdenken. Wie vielerorts in Schleswig-Holstein: Zum Beispiel in der Region Uthlande, die die Inseln und Halligen der Nordsee umfasst und die von dem Klimawandel besonders betroffen sein könnte. Geothermie auf Hallig Hooge, Holzverwertung auf Amrum, Biogas auf den Inseln – all dies könnten Mosaiksteinchen für die Region auf dem Weg in eine Zukunft unabhängig von fossilen Brennstoffen sein.

Auch im Osten sind Beispiele denkbar: „Umweltfreundliche Gemeinde“ ist Ratekau vor den Toren Lübecks 2007 bereits zum dritten Mal geworden. Warum sollte die Großgemeinde mit 13 Dorfschaften und einer Fläche von 60 Quadratkilometern nicht auch Bioenergie-Region werden? Ein Holzheizwerk gibt es seit 2002, aktuell will die Gemeinde auf dem Dach der Grund- und Hauptschule Sereetz eine Photovoltaikanlage durch Bürgerbeteiligungen errichten.

„Wenn die Akteure aus der regionalen Energiewirtschaft sowie Politik und Bürgerschaft eng zusammenarbeiten und sich wirtschaftlich verzahnen, kann nachhaltige Energieversorgung zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor werden“, sagt Politikberaterin Doris Lorenz aus Kiel. Auf der Messe „new energy“ in Husum hat sie die Ergebnisse einer Regionalstudie zu den hiesigen Entwicklungschancen präsentiert. „Eine nachhaltige Energieversorgung ist dezentral aufgebaut und vernetzt“, sagt sie.

Als vielseitigste Quelle der Bioenergie kommt der Biomasse eine besondere Bedeutung zu. Ohne den ländlichen Raum ist eine verstärkte Nutzung nicht denkbar, gleichzeitig bieten sich damit neue Einkommenschancen auf dem Lande. „Voraussetzung sind umfassende Wertschöpfungsketten vor Ort“, meint Ursula Heinen, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Um diese zu initiieren, startete das Berliner Ministerium den bundesweiten Wettbewerb „Bioenergie-Regionen“.

Insgesamt 6,4 Millionen Euro stellt der Bund für Konzepte zur regionalen Nutzung der Bioenergie zur Verfügung. Wohl gemerkt: Nicht für Investitionen, sondern für den Aufbau von lokalen Netzwerken zur Produktion, Verarbeitung und Nutzung von Bioenergie. Gesucht werden schlüssige Konzepte unter Einbindung regionaler Partner etwa aus Landwirtschaft, Anlagenbau, Handwerk, Naturschutz, Verwaltung und Bildung (s.u.). Für die Teilnahme spielen Größe und Verwaltungsgrenzen keine Rolle: Region ist, was vernetzt ist.

Ausdrücklich erwünscht ist die kritische Auseinandersetzung: Nicht jede Bioenergielinie ist schließlich per se energetisch und klimapolitisch effizient. Außerdem sind Interessenkonflikte zwischen den beteiligten Partnern durchaus möglich. Gerade in solchen Fällen zahlen sich eine gute Kommunikation und eine enge Verzahnung der Beteiligten aus, meinen die Veranstalter.

Weit mehr als 90 Bioenergieprojekte hat die Energieagentur der Investitionsbank in Schleswig-Holstein ausgemacht. Daraus können viele Keimzellen für Bioregionen im Norden werden.

Der Wettbewerb "Bioenergie-Regionen" in Kürze:

  • Teilnehmen können regionale Strukturen, Verwaltungsgrenzen spielen keine Rolle. Gefragt sind Konzepte für den Auf- und Ausbau von Bioenergie-Netzwerken.
  • Bis zum 30. Juni 2008 ist eine Kurzbewerbung mit Ideenskizze (5 Seiten) einzureichen. Aus den Anträgen werden 30 für das weitere Verfahren ausgewählt.
  • Die verbleibenden Teilnehmer legen bis zum 30. November 2008 ein regionales Entwicklungskonzept vor. Zur Unterstützung ist ein Workshop geplant. Pro Region gibt es eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 3.000 Euro.
  • Die Fachjury wählt bis zu 16 Regionen aus, die über eine Laufzeit von drei Jahren je 400.000 Euro für die Umsetzung ihres Konzeptes erhalten.

 
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