07.05.2008 | Bildverarbeitung |
Komplexe AnsichtssacheRegisseur Billy Wilder brachte es auf den Punkt: Nobodys perfect lautet die berühmte Schlusspointe aus dem Film Manche mögens heiß. Vor Fehlern ist niemand gefeit, auch nicht die Industrie. In vielen Bereichen setzen Hersteller Kamerasysteme ein, um in Massen gefertigte Bauteile automatisch auf Abweichungen vom Soll zu untersuchen. Fehlerhafte Objekte auszusortieren ist das Primärziel. Welchen Mehrwert darüber hinaus genaue Informationen über die Art der Fehler liefern, zeigte die jüngste Vortragsveranstaltung der Initiative Bildverarbeitung.Diplom-Informatiker Christian Kier vom Institut für Signalverarbeitung und Prozesstechnik der Uni Lübeck hat zusammen mit Forscherkollegen und Mitarbeitern der Basler AG aus Ahrensburg ein Prüfverfahren für Gummidichtungen entwickelt, das darauf ab zielt, Fehler nicht nur zu erkennen, sondern automatisch auch zu klassifizieren. Damit werden Hersteller in die Lage versetzt, ihre Produktionsprozesse zu optimieren und Fehlerquellen auszumerzen. Doch was so leicht klingt, ist in der Praxis überaus kompliziert. Um planare Objekte wie CDs oder DVDs optisch zu erfassen, reiche in der Praxis eine Kamera aus, die das Prüfstück von oben aufnimmt, sagt Kier. Für alle Punkte auf der Oberfläche sei die Aufnahmegeometrie nahezu gleich. Anders bei Dichtungsringen: Aufgrund ihrer gewölbten Oberfläche werde die Bildgebungsgeometrie deutlich komplexer. Das Abbild eines Fehlers hängt entscheidend von dessen Position auf der Oberfläche ab, erläutert der Wissenschaftler. Bereits in der Draufsicht allein erhalte man von ein und demselben Fehler möglicherweise ganz unterschiedliche Bilder je nachdem, wo sich der Defekt befindet. Eine automatische Einteilung der Schäden in Fehlerklassen blieb aus diesem Grund bisher aus. Um das zu ändern und die jeweilige Position von Rissen oder Einkerbungen zu ermitteln, haben die Forscher ein von Basler entwickeltes Prüfgerät um eine Algorithmik erweitert. Die Dichtungsringe werden in dem Gerät einzeln unter einer 3-Megapixel-Kamera in Position gebracht. Dank eines ausgeklügelten Zusammenspiels von Spiegeln, Linsen und Beleuchtung erfasst diese die Außen-, Ober- und Innenseite des Dichtungsrings lückenlos. Anschließend wird der Ring gewendet und unter eine weitere Kamera geschoben, die erneut jeweils Außen-, Ober- und Innenseite abbildet. Macht insgesamt sechs Bilder. Das siebte kommt vom Durchlichtsensor, der eine Bestimmung der Maßhaltigkeit, zu der unter anderem die Abmessungen des Objekts und die Abweichung von der Kreisform zählen, erlaubt. Der komplette Untersuchungsvorgang geschieht in Sekundenschnelle. Wie die fehlerlose Form der Dichtung auszusehen hat, ist aus dem Produktionsprozess heraus bekannt. Den Kooperationspartnern ist es gelungen, leistungsfähige Algorithmen zu entwickeln, so dass die von den Kameras gelieferten Daten im PC auf die Soll-Koordinaten des Fertigungsteils normiert werden können. Effekte der diskreten Geometrie und die begrenzte Auflösung machen es zwar unmöglich, alle perspektivischen Verzerrungen zu korrigieren, sagt Kier. Dennoch sei das neue Verfahren hinreichend genau. vario2 heißt die inzwischen in Serie produzierte Neuentwicklung, mit der sich in Zukunft fehlerhafte Dichtungen getrennt nach spezifischen Fehlermerkmalen aussortieren lassen. Während die Erkenntnisse künftig an der Lübecker Uni in die Lehre einfließen werden, erhofft sich die Basler AG von dem Inspektionssystem Vorteile im internationalen Wettbewerb. |
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