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09.07.2008 Bildverarbeitung / Medizintechnik / Förderung

Feinste Knochenarbeit

Wer Dr. Andreas Krebs fragt, wozu seine Forschungsarbeit dient, dem antwortet der Wissenschaftler schon mal mit einem Vergleich. “Stellen Sie sich vor, Sie haben einen zwei Kilogramm schweren Sandstein. Und auf der anderen Seite einen zwei Kilogramm schweren Haufen Sand. Beide besitzen exakt die gleiche Masse, doch der Sandstein hat eine Struktur, die stabil ist, weil zwischen seinen Sandkörnchen bestimmte Kräfte wirken.”

So oder zumindest ähnlich könnte auch beim menschlichen Knochen neben der reinen Masse das innere Gefüge zwischen den Molekülen für die Stabilität eine entscheidende Rolle spielen. Andreas Krebs arbeitet in der Arbeitsgruppe Medizinische Physik von Prof. Dr. Claus-Christian Glüer an der Klinik für Diagnostische Radiologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel. Die Arbeitsgruppe gilt weltweit als eines der führenden Expertenzentren für die Diagnostik von Osteoporose, eine der häufigsten chronischen Krankheiten in Deutschland. Mehr als 30 Prozent aller Frauen und zehn Prozent aller Männer erleiden während ihres Lebens eine Fraktur, die auf Osteoporose zurückzuführen ist.

“Knochenschwund” nennt der Volksmund diese Krankheit. Um sie zu diagnostizieren, wird standardmäßig die Knochendichte des Patienten gemessen. “Wir gehen jedoch davon aus, dass nicht allein der Verlust an Knochenmasse die Osteoporose charakterisiert, sondern auch ein Umbau in der Mikroarchitektur der Wirbelkörper“, erläutert Professor Glüer. Ein Diagnoseverfahren, das die Knochenbälkchen, die so genannten Trabekel, und das zwischen ihnen bestehende Netzwerk analysiert, könnte demnach wertvolle Informationen über die Bruchfestigkeit des Knochens liefern.
 
Knochenstruktur mit und ohne Osteoporose
Knochenstruktur mit und ohne Osteoporose Foto/Copyright: Uni Kiel
Bisher ließ sich diese Mikrostruktur nur nach einer Biopsie vermessen, bei der Mediziner dem Patienten unter Narkose Knochengewebe aus dem Beckenkamm herausstanzen. Das Augenmerk der Kieler Forscher gilt hingegen einer schmerzfreien, nicht invasiven Methode: der hoch auflösenden Computertomografie (HRCT). Dabei wird der zu untersuchende Körper schichtweise geröntgt, die Querschnittsbilder entstehen am Computer und lassen sich zu einem räumlichen Bild zusammensetzen. HRCT erlaubt eine sehr dünne Schichtführung. Mit ihrer Hilfe sei es in den vergangenen Jahren auch möglich geworden, die Binnenstruktur der Wirbelkörper abzubilden, erläutert der Professor.

“Das größte Problem für die klinische Einsetzbarkeit des Verfahrens ist neben der nur begrenzten Ortsauflösung das hohe Hintergrundrauschen in den Bildern“, sagt Glüer. In Folge dessen könnten die Wissenschaftler oft nicht unterscheiden, ob es sich bei einer dargestellten Struktur um das wahre Trabekel-Netzwerk handelt oder um eine auf Bildrauschen zurückzuführende Erscheinung.

Die Forscher haben daher ein Konzept entwickelt, mit dem sich die HRCT-Aufnahmen aufarbeiten und die Störungen deutlich reduzieren lassen. “Unser Verfahren übersteigt das Photoshopniveau bei weitem“, sagt Mathematiker Krebs. Basis seien Erkenntnisse über die Lagebeziehungen der Trabekel im dreidimensionalen Raum. “Wir wissen, wie die Strukturen aussehen. Gesunde und löchrige Trabekel-Netze unterscheiden sich in gewissen Merkmalen, die wir über das HRCT-Verfahren bestimmen können.”

Stochastische Berechnungen machen aus den HRCT-Aufnahmen reproduzierbare, genaue Darstellungen der Knochenmikrostruktur. Großer Vorteil gegenüber der Biopsie: Wird die Knochenmasse nicht entnommen, können Mediziner beobachten, wie ein Medikament im Körper wirkt, wie der Knochen also unter der Therapie zunehmend fester wird. So kommt das Verfahren auch in Therapiestudien, wie sie der Kooperationspartner, die Firma Synarc aus Hamburg, anbietet, zum Einsatz.

“Die Charakterisierung von Mikrostrukturen spielt auch bei anderen Krankheitsbildern wie der Abgrenzung von Tumoren eine große Rolle“, sagt Professor Glüer. “Vielleicht können unsere Methoden auch dort Anwendung finden.”

 
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