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23.06.2005 Existenzgründung / IuK-Technologien

Aus der Hochschule in den Chefsessel: Lernsysteme nach Maß

Jede zweite Autopanne geht auf Probleme mit der Elektronik zurück. Kein Wunder, mag man denken, schließlich kommen allein die Kabel eines Mittelklassewagens – legt man sie aneinander – inzwischen auf eine Länge von rund vier Kilometern. Der rasche Einzug von Elektronik und Software in den Fahrzeugbau stellt das handwerklich geprägte Kfz-Gewerbe vor große Probleme: Wer soll die komplexen Zusammenhänge beherrschen? Zwar gibt es inzwischen neue Ausbildungsberufe wie den Mechatroniker. Doch den vielen Kfz-Meistern alter Schule hilft das wenig. Ein Lernsystem, mit dem grundlegende Sachverhalte vermittelt werden können, gab es nicht – bislang. Stephan Raimer hat es jetzt entwickelt.
 
Dr. Stephan Raimer
Dr. Stephan Raimer will mit neuartigen Lernsystemen Brücken vom Entwickler zum Anwender schlagen
Der promovierte Erziehungswissenschaftler hat vor drei Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und mit learnability.de ein Start-up-Unternehmen  gegründet, das bedarfsgerechte Informationssysteme ausarbeitet. Computer und Internet sind dabei die Werkzeuge – doch von e-learning, dem Modebegriff für rechnerbasiertes Lernen, spricht Raimer nur ungern. „Wenn Lernprozesse effizient sein sollen, reicht es bei weitem nicht aus, pauschal die Lehrfunktion auf den PC zu übertragen.“

Bedarf ermitteln, beraten, umsetzen – lautet sein Credo. Schon in seiner Dissertation an der Kieler Uni hat Raimer Grundlagen aus Psychologie, Softwareentwicklung und Technikwissenschaften miteinander verknüpft. Die Anwendung im Kfz-Bereich entstand im Auftrag von Zulieferbetrieben, deren Ziel es ist, Wissen über Technologie herstellerneutral in die einzelnen Werkstätten zu vermitteln. „Das ist ein völlig neuer Ansatz – weg von irgendwelchen Einzellösungen“, sagt Raimer.

Bei der Umsetzung der Inhalte ist einzig der Benutzer sein Maßstab. Usability heißt das Motto, die Gestaltung muss bedienerfreundlich sein. So kann der Nutzer Lesezeichen setzen, Textmarker benutzen und sich einzelne Einheiten als Lernscript herauskopieren. Die Einstellungen bleiben individuell auf dem Server gespeichert. Der PC als Lernmittel hat weitere Vorteile: Anders als ein Buch bietet er eine Volltext-Suche. Außerdem lassen sich mit ihm technische Vorgänge darstellen und simulieren, die sich der direkten Anschauung entziehen – zum Beispiel der Zündvorgang in einem Motor. Vor der Veröffentlichung hatten Probanden das System getestet. Inzwischen steht es kostenlos im Internet zur Verfügung und wird bereits von mehr als 2000 Personen genutzt.

Screenshot von learnability.de
Screenshot des Lernsystems "Datenverarbeitung im Kfz"
Umfangreiche Kenntnisse über Entwicklungsstandards hatte sich Raimer parallel zu seinem Studium in zahlreichen Projekten für Uni und Unternehmen erworben. Als er während seiner Dissertation das Interesse der Wirtschaft an Lernsystemen spürte, reifte die Entscheidung für die Selbstständigkeit. Der Zuschlag für das Gründerstipendium habe den Prozess beschleunigt, sagt der zweifache Familienvater.

Raimer ist überzeugt, dass es zahlreiche Beispiele gibt, bei denen Anwender nicht ohne weiteres mit der technischen Entwicklung Schritt halten können und Lernsysteme benötigt werden. Das könne selbst im Haushalt sein: Bei der Integration unterschiedlicher Kommunikationsmittel etwa oder beim „Intelligenten Heim“, das Wissenschaftler des Fraunhofer Institutes bereits entwickeln und bei dem alle Systeme auf Knopfdruck steuerbar sind – vom Bügeleisen bis zur Heizung. „Die Handwerker vor Ort sollen die Geräte warten. Dazu brauchen sie Know-how. Learnability will diese Brücke schlagen.“

Wie weit das gehen kann, zeigt das Beispiel Kfz: In Zusammenarbeit mit Kai-Christian Tönnsen, Doktorand an der Uni Flensburg, ist für das Lernsystem der Prototyp einer neue Schnittstelle entstanden – zum Anschluss eines realen
Golf V.

Fotos: learnability.de


 
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